Bürgerversammlungen

Bürgerversammlungen sind ein wesentliches Element kommunaler Demokratie. Trotz entsprechender Anweisungen des bayerischen Innenministeriums wurde in der Gemeinde Neuburg a. Inn über einen Zeitraum von drei Jahren keine Bürgerversammlung durchgeführt. Es gab in diesem Zeitraum örtlich keine kritische Corona-Lage, die eine Nicht-Durchführung rechtfertigen würde. Alternative aussagefähige Kommunikation wie schriftliche Berichte oder Online-Kommunikation gab es nicht. Der Gemeindebrief enthielt nur oberflächliche oder gar keine Informationen.

Zitate aus: Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Rundschreiben vom 23.10.2020 an alle Gemeinden (Link siehe weiter unten)

Demnach sind Bürgerversammlungen mindestens einmal jährlich durchzuführen (Art. 18 Abs. 1 Satz 1 GO). Sie stellen ein wichtiges Element der Bürgerbeteiligung dar, weswegen zu deren Organisation auch in Corona-Zeiten bei stabilem und beherrschbaren Infektionsgeschehen alle Anstrengungen unternommen werden sollten. (...)

Die zusätzliche Einrichtung eines Live-Streams, um die Besucher vor Ort zu reduzieren, ist unbedenklich, wenn die datenschutzrechtlichen Regelungen eingehalten werden und den Bürgern keine Beschränkungen ihres Mitberatungsrechts entstehen. Das würde voraussetzen, dass Fragen und Anträge nicht nur auf die Versammlungsteilnehmer beschränkt sind, sondern auch vorab eingereicht werden können, und die Anträge ohne gesonderte Abstimmung allesamt im Gemeinderat behandelt werden. (...)

Wenn trotz aller Bemühungen und Schutzmaßnahmen keine Bürgerversammlung durchgeführt werden kann, halten wir rechtsaufsichtliche Maßnahmen nicht für geboten. In diesem Fall sollten die Gemeindeeinwohner aber zumindest Informationen darüber erhalten, auf welche alternative Art und Weise sie sich mit Anliegen, Fragen und Anträgen an die Gemeinde wenden können. Ferner sollte der bei Bürgerversammlungen übliche Bericht des ersten Bürgermeisters anderweitig zur Verfügung stehen.“

Bürgerversammlung am 17. Mai 2022

Durch unzureichende Vorbereitung und Abwicklung der Bürgerversammlung am Dienstag, dem 17. Mai 2022, in Neuburg a. Inn, wurde die Wahrnehmung des Mitspracherechts vieler Bürger verhindert. Dies ist bedeutsam: (1) Weil die Gemeindeverwaltung regelmäßig das Gebot der Öffentlichkeit bei der Arbeit des Gemeinderats verletzt. (2) Weil gesundheitlich gefährdete oder anderweitig behinderte Menschen praktisch von der Teilnahme an der Bürgerversammlung ausgeschlossen werden.

(1) Unzureichende Bekanntmachung und Ablaufregelung der Bürgerversammlung

Bis Dienstag, dem 10. Mai 2022, also fünf Werktage vor dem Tag der Bürgerversammlung, gab es keine ortsübliche, amtliche Bekanntmachung mit Zeit, Ort, Tagesordnung und Hinweisen zur Durchführung.

Der Begriff „ortsüblich“ ist in der Geschäftsordnung des Gemeinderats durch Festlegung der Orte für die Veröffentlichung geregelt. Im Anschlagkasten an der alten Schule in Dommelstadl war bis zum Dienstag, dem 10.05.2022, 18 Uhr kein Anschlag zu finden. In der nicht als „ortsüblich“ definierten Passauer Neuen Presse erschien eine Information in der Wochenendausgabe vom 14/15. Mai. Der „Gemeindebrief“ ist in der Geschäftsordnung des Gemeinderats nicht als ortsüblich aufgeführt.

Wegen der Kürze der Zeit konnten Bürger sich auf die Versammlung nicht ausreichend einstellen und man muss davon ausgehen, dass viele gar nicht die Gelegenheit hatten, überhaupt Kenntnis zu nehmen.

Vor der Versammlung gab es keinerlei Hinweise zum Ablauf, insbesondere im Hinblick auf Hygieneregeln, also Masken und Abstände. Auch wenn die gesetzlichen Beschränkungen weitgehend aufgehoben wurden, war die Gefahr durch Corona nach wie vor vorhanden, insbesondere für gefährdete Menschen. Der Corona-Expertenrat und das Gesundheitsministerium hatten deshalb Masken und Abstand in Innenräumen empfohlen. In der Bürgerversammlung gab es dazu keine Regeln. Die Besucher saßen ohne Abstände und überwiegend ohne Masken eng beieinander. Fast 900 Bürger in der Gemeinde sind über 65 Jahre alt und gehören damit zur Risikogruppe. Man muss davon ausgehen, dass die Abwesenheit jeglicher Regelung viele Bürger von der Teilnahme abgehalten hat.

(2) Unterdrückung schriftlich gestellter Anträge und Fragen

Angesichts der gegebenen Unklarheiten und Gefährdungen wurden dem Bürgermeister am 11.05.2022 die weiter unten enthaltenen Fragen und Anträge schriftlich gestellt. Ferner wurde dargelegt, dass Risikopersonen streng auf Sicherheit achten müssen. Da für die Bürgerversammlung keinerlei Sicherheitsmaßnahmen festgelegt waren, könne dieser Personenkreis an der öffentlichen Diskussion nicht teilnehmen. Anfragen und Anträge würden deshalb zur Beantwortung bei der Bürgerversammlung schriftlich eingereicht.

Bei der Bürgerversammlung selbst wurde bei etwa 50 Teilnehmern, die eng beieinandersaßen, nur dreimal eine Maske getragen. Gefährdeten Personen war es unmöglich, an der Diskussion teilzunehmen. Die schriftlich vor der Veranstaltung eingereichten Fragen wurden vom Bürgermeister konkret weder direkt noch indirekt beantwortet. Die Anträge wurden nicht behandelt.

Fragen zur Beantwortung auf der Bürgerversammlung:


1. Welche Probleme gibt es mit der Kläranlage in Neuburg?

Begründung: Zitat aus PNP: „Die Kläranlagensanierung im Ortsteil Neukirchen Neuburg macht der Gemeinde-Kasse zu schaffen. „Bei Gesamtkosten von rund 4,8 Millionen Euro hätte nach dem alten Zuwendungsbescheid nach den Richtlinien der RZWas 2018 soweit alles gepasst. Jetzt haben wir mit den Förderrichtlinien der neuen RZWas 2021 zu kämpfen.“

Im Zusammenhang mit der Änderung der Förderrichtlinien wurden Übergangsfristen eingeräumt: Hat die Gemeinde die erforderlichen Anträge rechtzeitig gestellt (01.02.2021)? Die Gemeindebürger wollen wissen, was die Gründe sind und ob dadurch Mehrkosten bei den Abwassergebühren entstehen.

2. Reicht die Kapazität der Kläranlage in Neukirchen für die Zunahme um 200 Einwohnern aus?

Begründung: Wie bei Frage 1 wurde in der PNP eine Anzahl zusätzlicher Einwohner genannt. Da in anderem Zusammenhang die Kapazität der Kläranlage in Neukirchen als begrenzt dargestellt wurde, brauchen die Bürger hierzu klare Aussagen.

3. Die neue Homepage der Gemeinde ist freigeschaltet: Warum wurde das Modul „Bauleitplanung“ der Firma inixmedia nicht mit übernommen?

Begründung: Die Information der Öffentlichkeit in der Bauleitplanung ist unzureichend führt häufig zu Konflikten. Dem könnte die Gemeinde durch Veröffentlichungen auf der neuen Homepage abhelfen. Warum tut sie das nicht?

4. Sicherer Fußweg vom Schlosspark ins Zentrum: Was ist unternommen worden? Wo stehen wir?

Begründung: Um den gefährlichen Fußweg vom Schlosspark ins Zentrum des Dorfes zu umgehen, wird seit Jahren eine Alternative diskutiert. In diesem Zusammenhang wurden vor der Kommunalwahl Zusagen gemacht, dien bis heute nicht realisiert wurden. Die Bürger müssen wissen, was unternommen wurde.

Zitate hierzu:

- Ein Vater: (so) "... ist der tägliche Weg mit unseren Kindern ins Dorf, in die Schule oder zu Freunden eine Tortur und von der Sorge um unsere marschierenden und Rad fahrenden Kinder geprägt, wenn LKWs regelmäßig nicht ausreichend Abstand zu unseren Kindern einhalten, und oftmals auf 70 oder 80 cm Seitenabstand an sie heranfahren. Ein jeder Sturz, ein jeder Rempler kann so lebensbedrohlich werden."

- In der Wahlveranstaltung zu den Kommunalwahlen: Ein Vater "Ich habe 2012 am Schlosspark gebaut, wann kommt endlich der eingezeichnete Fuß- und Radweg?"

- Der Bürgermeister: "Es scheitert an den Grundstücken, die wir leider nicht bekommen. Aber wir sind weiter bemüht. Der Schulweg ist sicher, wenn ein Gehweg eine entsprechende Breite hat, das ist laut Polizei dort der Fall, von gefährlichem Schulweg kann man in Dommelstadl nicht sprechen."

- Ein Gemeinderat im Juli 2020: „Wenn wir in einem Jahr noch immer keinen Schritt weiter sind, dann werde ich ernsthaft eine Enteignung vorschlagen. Es handelt sich um eine kritische Situation für Kinder. Es kann nicht sein, dass jemand alles blockiert, was wir für die Gemeinde bräuchten.“

5. Wo stehen wir mit der Gefährdungsanalyse „Überflutung durch Niederschlagswasser für die gesamte Gemeinde?

Begründung: Hier geht es um eine klare Aussage, wann und nach welchem Plan die im Gemeinderat beschlossene Gefährdungsanalyse Niederschlagswasser für die gesamte Gemeinde durchgeführt wird.

6. Wird die Gemeinde die Arbeiten für die Kanalsanierung am Schlossberg ohne Gefährdungsanalyse durchführen?

Begründung: Die beabsichtige Kanalsanierung am sehr steilen Schlossberg ist mit wesentlichen Risiken behaftet, die mit einer Risikoanalyse zum Thema Überflutung durch Niederschlagswasser besser eingeschätzt werden können. Warum will die Gemeinde diese Arbeiten ohne vorherige Prüfung durchführen?

7. Erkennen Sie als Bürgermeister an, dass der Straßenverkehr in Neuburg/Dommelstadl neben Lärm auch Emissionen von Kohlenstoffdioxid, Feinstaub, Stickoxiden und anderen Verunreinigungen verursacht und dass dadurch Krankheiten entstehen?

Begründung: Neueste Meta-Analysen der Deutschen Herzstiftung weisen aus, dass Lärm und Luftverunreinigungen durch Straßenverkehr zu erheblichen gesundheitlichen Schäden führen. Diese Untersuchungen sind für die Gemeindeverwaltung öffentlich zugänglich und die Verwaltung ist darauf aufmerksam gemacht worden. Fragen der Gesundheit durch die seit Jahren steigende Verkehrsbelastung in Neuburg standen noch nie auf der Tagesordnung des Gemeinderats.

Anträge zur Beschlussfassung auf der Bürgerversammlung

Die Anträge wurden gestellt, um zu erreichen, dass bestimmte Informationen zu den Themen „neue Schule“ und “Verkehr“ öffentlich gemacht werden. Der Bürgermeister hat wiederholt die Öffentlichkeit zu Unrecht ausgeschlossen, obwohl die Geschäftsordnung des Gemeinderats dazu eindeutige Grenzen setzt. Dies geschah offensichtlich immer dann, wenn es um kontroverse Angelegenheiten ging. Auf diese Weise wurden Gegenmeinungen unterdrückt oder sensible Informationen zurückgehalten.

1. Die für das Projekt „Unsere Schule“ erforderliche langfristige Lebenszyklus-Analyse soll unverzüglich nach Vorliegen in geeigneter Form vollständig veröffentlicht werden.

Begründung:

(1) Die Schule ist ein Jahrhundertprojekt, das viele zukünftige Entwicklungen in der Gemeinde beeinflussen wird. Alle Gemeindebürger haben deshalb Anspruch auf vollständige Information.

(2) In der Lebenszyklus-Analyse werden die Alternativen „Generalsanierung beider Schulen“ und „Bau einer neuen Schule“ über die Lebensdauer von bis zu 50 Jahren verglichen. Dabei geht es um Investitionen und Betriebskosten. Zu den Betriebskosten gehören auch Kosten, die nicht direkt im Schulbetrieb anfallen, wie z.B. Transportkosten.

(3) Die Analyse ist nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen aufzustellen. Sie ist wesentlicher Bestandteil des Förderantrags. Die volle Fördersumme wird genehmigt, wenn die Kosten für den Neubau die Sanierungskosten bis zu einem festgelegten Betrag übersteigen.

(4) Gründe, die Öffentlichkeit auszuschließen bestehen nicht (§ 21 der Geschäftsordnung des Gemeinderats)

Es wird beantragt, die Abstimmung geheim durchzuführen.

2. Das von der Gemeinde in Auftrag gegebene juristische Gutachten zu möglichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verkehrssituation in Neuburg a. Inn soll nach Vorliegen in geeigneter Form vollständig veröffentlicht werden.

Begründung:

1) Für die Einwohner von Dommelstadl und Neuburg hat die Belastung durch Lärm und Umweltverschmutzung bei weiter steigendem Straßenverkehr massive gesundheitliche Auswirkungen.

(2) Jeder Bürger hat deshalb das Recht, über alle juristischen Möglichkeiten zur Beendigung dieser unerträglichen Situation informiert zu werden. ,

(3) Gründe, dieses Rechtsgutachten der Öffentlichkeit vorzuenthalten gibt es nicht.

Es wird beantragt, dass die Abstimmung über diesen Antrag geheim erfolgt und dass nur die Einwohner der Ortsteile Dommelstadl und Neuburg teilnehmen, da alle anderen nicht direkt betroffen sind.

Zielsetzung

Es wird gefordert:

  • Dass die Gemeinde in Zukunft Bürgerversammlungen rechtzeitig mit aussagefähiger Tagesordnung amtlich und ortsüblich bekanntmacht.

  • Dass Gemeindebürger Fragen schriftlich vorab stellen dürfen und dass diese Fragen konkret beantwortet werden. Das gilt auch, falls der Fragesteller selbst nicht anwesend ist.

  • Dass Gemeindebürger Anträge schriftlich vorab einbringen dürfen und dass diese Anträge unverändert zur Abstimmung in der Bürgerversammlung gestellt werden, und zwar – falls gewünscht – auch geheim. Das sollte auch gelten, falls der Antragsteller selbst nicht anwesend ist.

  • Dass die Gemeinde die Versammlung organisatorisch und vom Ablauf her so gestaltet, dass möglichst viele Gemeindebürger teilnehmen und sich beteiligen können, insbesondere solche, die in irgendeiner Weise behindert oder gefährdet sind.

  • Dass die Gemeinde ein Ergebnisprotokoll der Bürgerversammlung in geeigneter Form erstellt und veröffentlicht.