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PLAN (LEP) Bayern

"150 Seiten Gelaber"

(Passauer Neue Presse vom 10.03.2022)

Gemeinderat kritisiert die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) und den Ablauf seiner Beteiligung.

Hier geht es nicht etwa um Nebensächliches, sondern um die Sitzung des Gemeinderats vom 07.03.2022. Man war aufgefordert, sich zur langfristigen Entwicklung des Landes Bayern zu äußern. Die Diskussion ergab dann u.a. diese Aussagen:

Beitrag 1: "Es ist schlichtweg unmöglich, das alles so schnell zu lesen. Da steht viel drin, was eigentlich vom Ziel her gut ist, aber es steht nichts Konkretes drin, nur Wischiwaschi. Ich sehe keine Chance zuzustimmen. Ich fühle mich überfahren."

Beitrag 2: "150 Seiten Gelaber. ... Zum Flächensparen braucht es Leitlinien für die Gemeinden, nicht nur einen Grundsatz." Und: Unmut über Inhalt und Verfahren.

Beitrag 3: Es fehlen konkrete Ziele, vor allem zu ökologischen Vorgaben wie Biodiversität.

Beitrag 4: Außer Gendersternchen keine großartigen Änderungen.

Beitrag 5: Ich ärgere mich auch über die Kurzfristigkeit und halte die Vorlage für Gelaber.

Beschluss: Der Gemeinderat beschloss einstimmig, gegen das Verfahren zu protestieren und einen Brief zurückzuschreiben mit dem Hinweis, dass die Gemeinde die Notwendigkeit sehe, ein neues LEP aufzustellen. Was da konkret drinstehen soll wurde gar nicht erst besprochen.

Offensichtlich war dem Gemeinderat bei diesem Beschluss nicht bewusst, dass er mit der im Grundgesetz übertragenen Planungshoheit für die räumliche Ordnung und Gestaltung des Gemeindegebiets die volle Verantwortung trägt. Beschlüsse des Gemeinderats auf diesem Gebiet sind bindendes Recht.

Um dieser großen Verantwortung gerecht zu werden, sollte der Gemeinderat selbst eine nachhaltige Planung entwickeln und nicht ins Blaue entscheiden:

  • Eine Vision, wohin die Gemeinde sich langfristig entwickeln soll, gab es nicht und gibt es nicht. Aktualisierte Flächennutzungspläne - Fehlanzeige. Nur mit Mühe konnte die Entstehung eines riesigen Logistikzentrums auf dem Gemeindegebiet im Neuburger Wald verhindert werden.

  • Welche Rolle die Gemeinde als Teil des urbanen Einzugsgebiets der Universitätsstadt Passau spielen könnte: Keine Idee.

  • Bei der für die Verkehrsbelastung in der Gemeinde alles entscheidenden Planung zur Anbindung der A 94 an die A 3 wurde man erst aktiv, als es zu spät war. Aus dem Autobahnkreuz Pocking wird eine unaufhaltsame Verkehrslawine auf Neuburg zurollen. Hier hätte der Gemeinderat einen konstruktiven Beitrag für die überregionale Verkehrsplanung im LEP liefern können: Entwicklung einer langfristisgen Konzeption für die Verkehrsführung in der Regiopolregion Passau. Ein solcher Plan wird dringend gebraucht, um der unerträglichen Verkehrsbelastung in Neuburg entgegenzutreten. Der Gemeinderat hat diese Möglichkeit nicht einmal erwogen.

  • Zur Entwicklung der Wohnbebauung hat der Bürgermeister (in der PNP, Januar) das Ende aufgerufen: "Doch viel Bauland kann und will Neuburg nicht mehr anbieten. Auch die letzten Parzellen am Wiesenweg sind verkauft; in Neuburg entstehen mit dem Baugebiet „Innblick“ noch fünf oder sechs weitere Parzellen. Dann ist Schluss. Mehr verkraftet der Ort nicht." Man glaubt es kaum, hier wird das Ende einer über tausendjährigen Geschichte als Zukunftsvision propagiert: Schluss, nichts geht mehr. Vermutlich hat noch niemand darüber nachgedacht, was das eigentlich für das soziale Gefüge dieses Ortes bedeuten würde.

  • In 50 Jahren ihres Bestehens hat es die Gemeinde nicht geschafft, auch nur einenen einzigen Fahrradweg zur Verbindung einzelnen Gemeindeteile zu bauen. Es wurde viel geredet, aber nichts realisiert.

  • Es gibt immer noch keinen sicheren Fußweg vom Schlosspark ins Ortszentrum Neuburg. Der einzige Weg entlang der Hauptstraße ist für Kinder, Menschen mit Gehbehinderung und Ältere extrem gefährlich.

  • Es gibt keine Gefährdungskarten, keine Simulationen für mögliche Überschwemmungen durch Niederschlagswasser.

  • Die Liste kann noch wesentlich länger werden ...

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als befremdlich, dass der Gemeinderat in unsachlicher Weise über den LEP herzieht und nicht einen konstruktiven Beitrag liefert.

Gewinnt man so Vertrauen und Autorität?

  • Es war seit Mitte letzten Jahres bekannt, dass die Staatsregierung alle politischen und gesellschaftlichen Ebenen - auch die Kommunen - in einem großen Beteiligungsverfahren bei der Fortschreibung des LEP einbeziehen wollte.

  • Der Entwurf steht seit Mitte Dezember 2021 auf der Website des Staatsministeriums für Wirtschft zum Download bereit: https://www.landesentwicklung-bayern.de/teilfortschreibung-lep-bayern. Vorschläge sollen bis Ende März 2022 gemacht werden. Frage: Wieviel Zeit braucht der Gemeinderat, um ein Dokument mit 150 Seiten zu lesen - mehr als drei Monate?

  • Man hätte sich auch die Website und das weiter unten eingefügte Video anschauen können, damit man überhaupt weiß, was der LEP soll und ist. Es handelt sich jedenfalls nicht um einen Plan, sondern um ein Programm, eine Vision. Hier wird für alle Bereiche der staatlichen Landesplanung ein rechtsverbindlicher Rahmen geschaffen.

Raumordnung und Landesplanung

Seit über 30 Jahren ist das Landesentwicklungsprogramm Bayern Grundlage und Richtschnur für die räumliche Entwicklung. Hier sind die für die räumliche Ordnung und Entwicklung Bayerns wichtigen Grundsätze und Ziele festgelegt. Zu den Aufgaben des LEP zählen:

  • Grundzüge der räumlichen Entwicklung und Ordnung

  • Abbau vorhandener Ungleichheit im Land und Vermeidung neuer Disparitäten

  • Koordinierung räumlicher Fachplanungen

  • Vorgaben für die Regionalplanung

Oberstes Ziel ist: in allen Landesteilen gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu erhalten. Das soll nachhaltig geschehen: Also müssen ökonomische, ökologischen, sozialen und kulturellen Belange gleichrangig berücksichtigt und miteinander in Einklang gebracht werden.

Weitere Instrumenten der Landesentwicklung sind:

  • Regionalpläne für 18 Regionen in Bayern

  • Raumordnungsverfahren (überörtliche Projekte, wie Straßen, Flughäfen)

  • Regionalmanagement zum Aufbau regionaler Netzwerke

  • Regionalmarketing zur Vermittlung von Standortvorteilen.

Was steht tatsächlich drin im Entwurf des LEP vom Dezember 2021?

Das Kabinett hat die Fortschreibung im Dezember 2021 beschlossen; der Landtag wird vermutlich erst im Jahre 2023 über diese Rechtsverordnung entscheiden.

Wesentliche Punkte sind die Verringerung des Flächenverbrauchs, die Förderung der dezentralen Energieerzeugung und umweltfreundlicher Mobilität, u. a. durch Ausbau der Radwegnetze.

Der Flächenverbrauch lag im Jahr 2020 in Bayern bei 11,6 Hektar pro Tag. Das entsprach rund 3,2 m² pro Einwohner. Im ländlichen Raum lag dieser Wert bei 5,0 m², im Verdichtungsraum bei 1,0 m². Damit liegt Bayern an der Spitze in Deutschland.

Das wichtigste Ziel ist, den immer weiter gestiegenen Flächenverbrauch drastisch auf 5 ha/Tag zu reduzieren. Um den unterschiedlichen Anforderungen in

Verdichtungsräumen,

ländlichen Räumen,

Bergregionen,

Trockengebieten,

Überschwemmungsgebieten

besser und flexibler gerecht zu werden, sollen die 18 Planungsregionen in Bayern wesentlich mehr Kompetenzen erhalten: Ziele sind effiziente, möglichst multifunktionale Flächennutzungen bei Siedlung und Verkehr, auch Agri-Photovoltaik. Innenentwicklung hin zu kompakteren Siedlungsstrukturen. Ausnahmen vom "Anbindegebot" werden eingeschränkt, Also keine neuen Gewerbeflächen „auf der grünen Wiese“.

Stichworte zu "Gleichwertige Lebensverhältnisse": Regionale Digitalisierung für Wettbewerbsfähigkeit, Daseinsvorsorge (Beispiel Telemedizin), Mobilität. Qualifizierte Arbeitsmöglichkeiten, Grundschulen, ÖPNV, Kulturpflege, Verdichtungsräume bei Siedlungs- und Mobilitätsentwicklung entlasten. Wohnraumangebot, interkommunal abgestimmte Verkehrsentwicklung mit Ausbau von ÖPNV, Fahrrad.

Stichworte zu "Flächenmanagement": Räumliche Planungen auf Klimaneutralität ausrichten; natürliche CO2-Speicher stärken (Wälder, Moore); Vorrang-/Vorbehalts¬gebiete (VRG/VBG) für Klimaschutz; verpflichtende VRG/VBG für Klimaanpassungen. Nachhaltiges Wassermanagement; Hochwasser-Risikomanagement (Starkregen); technischer Hochwasserschutz. Ausbau erneuerbarer Energien u.a. durch Windenergieanlagen und Speichermöglichkeiten.

Stichworte zu "nachhaltige Mobilität": Vernetzung und Stärkung ÖPNV; neue Mobilitätsformen; Schnittstellen intermodaler Güterverkehr. Wegenetze für Alltags- und Freizeitradverkehr. Förderung von Elektro- und Wasserstofftankstellen.

Der 6-Punkte-Plan für ein zukunftsfestes Bayern

Die landesweiten Initiativen

"Offener Appell für ein zukunftsfestes Bayern"

"Wege zu einem besseren LEP für Bayern"

haben ein umfangreiches Rahmenpapier erarbeitet und verabschiedet. Hier finden sich die wesentlichen Schritte in eine zukunftsfähige Landesplanung.