Nachdenken über den Wald

Wir sind die Hüter des Neuburger Waldes

We are the guardians of the Neuburg Forest

Nous sommes les gardiens de la forêt de Neuchâtel

Somos los guardianes del bosque de Neuburg

Blick auf den Neuburger Wald.

60% des Gebietes der Gemeinde Neuburg a. Inn ist Wald: Wir sind die Hüter dieses Waldes, ob wir das wollen oder auch nicht!

Der Neuburger Wald

  • Der Neuburger Wald stellt das größte zusammenhängende Waldgebiet im Landkreis Passau und südlich der Donau in der Region „Donau-Wald“ dar.

  • Der Neuburger Wald ist über Jahrhunderte als zusammenhängendes Waldgebiet erhalten geblieben.

  • Als naturnahes Buchenmischwaldökosystem im Niederbayerischen Tertiärhügelland besitzt der Neuburger Wald eine herausragende Bedeutung für den Naturhaushalt im gesamten ostbayerischen Raum.

  • Wegen seiner wichtigen Funktion für das Regionalklima und die Luftreinhaltung wurde der größte Teil des Neuburger Waldes am 22.10.2016 mit rechtsgültiger Verordnung des Landratsamtes Passau gem. Art. 11 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 des Waldgesetzes für Bayern (BayWaldG) zum Bannwald erklärt.

  • Bedeutsame Teile dieses Bannwaldes sind nach europäischem Recht geschützte Flora-Fauna-Habitat Gebiete (FFA-Gebiete) und Landschaftsschutzgebiete.

  • Außerdem befinden sich drei Naturwaldreservate und zwei Trinkwasserschutzgebiete in diesem Waldgebiet.

  • Im Regionalplan der Region Donau-Wald wird unter Kapitel B I, Ziff. 2.1.2 der Neuburger Wald als landschaftliches Vorbehaltsgebiet festgelegt.

(Quelle: Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Passau-Rotthalmünster mit Landwirtschaftsschule, 28.10.2019)

Neuburger Wald gut gerüstet

(Quelle: PNP vom 14.01.2022)

Staatsforsten beobachtet kontinuierliche Verjüngung

Von Sandra Hatz


Den Vorfahren sei Dank: Der Neuburger Wald befindet sich in einem guten Zustand und ist für den Klimawandel gerüstet. Das jedenfalls erklärt die Leiterin des zuständigen Forstbetriebs Neureichenau der Bayerischen Staatsforsten, Gudula Lermer, auf Anfrage der Passauer Neuen Presse.

Während das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft forschen lässt, wie die Anpassung der Wälder an den Klimawandel gelingen könnte und darüber nachdenkt, Zedernarten sowie die Baumhasel zu etablieren, sieht die Forstexpertin für den Bereich des Staatsforsts rund um Passau den Herausforderungen gelassen entgegen. Die als nachwachsende Rohstoffe angepriesenen exotischen Arten, die bislang unter anderem in Regionen wie Libanon gedeihen, werden im Neuburger Wald nicht gepflanzt.

„Unsere Vorfahren haben hier sehr viel geleistet und unter anderem durch ein erfolgreiches Jagdmanagement und die Bevorzugung von Baumarten wie Stieleiche und Weißtanne dazu beigetragen, dass der Wald gut für den Klimawandel gewappnet ist“, versichert die Expertin. So hat sich der Neuburger Wald immer sehr gut selbst verjüngt. Das erwartet Lermer auch für die Zukunft. In einem Monitoring beobachten die Förster genau, wie die Bäume nachwachsen.

Die vorherrschende Baumart im Neuburger Wald ist die Buche (bis zu 40 Prozent), dann die Tanne (30 Prozent). Eine Besonderheit hier seien die Stieleichen oder auch die Douglasien, die bereits seit 70 Jahren um Passau angepflanzt werde. Aber das seien laut Lermer genau wie Esskastanien oder Elsbeeren im Vergleich zum Gesamtbestand eher wie Salzkörner auf dem Essen. Sie spielen also eine sehr untergeordnete Rolle.

Überhaupt meint Lermer: „Wir pflanzen ganz, ganz wenig nach.“ Der Neuburger Wald erstrecke sich auf rund 5000 Hektar. Davon hätten die Staatsforsten im letzten Jahr auf etwa zwei Hektar Bäume gepflanzt. Dabei handelt es sich um eine Fläche in der Mergelgrube nahe Dommelstadl, die sich erst seit kürzlich in Besitz des Staates befinde. Die Fläche gehörte laut Lermer zuvor einer Erbengemeinschaft und war verwildert beziehungsweise nicht gut bestückt.

Ethik und Naturschutz

In seinem Buch „Das Prinzip Verantwortung“ (1979) hat der Philosoph Hans Jonas den ökologischen Imperativ formuliert:

Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen

verträglich sind mit der Permanenz

echten menschlichen Lebens auf Erden.

Gleichzeitig geht Jonas von einer Pflicht der Menschheit zur Existenz aus: Da der Mensch faktisch die Verantwortung für sein Handeln habe, habe er auch die Verantwortung für das Überleben der Menschheit. Der Mensch soll also auf Dauer leben – und das geht nur, wenn die Lebensgrundlagen erhalten bleiben.

Existenz erfordert Ressourcen: Der Mensch muss essen, trinken, atmen ... leben. Diese Ressourcen werden verbraucht. Bei fast 8 Milliarden Menschen wird viel verbraucht. Der Mensch hat seine Versorgung über Jahrtausende durch technischen Fortschritt an dieses Wachstum angepasst; durch Intensivierung in allen Bereichen der Nahrungsmittelerzeugung und der Produktion generell.

Dadurch sind Zielkonflikte nicht nur zwischen Mensch und Natur, sondern auch zwischen unterschiedlichen Interessengruppen vorprogrammiert in Bezug auf Erhaltung, Regeneration und Verbrauch von Ressourcen. Dazu kommt, dass Menschen durch Technisierung gesundheitlich gefährdet werden und dass viele Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind.

Wie kann man mit diesen Zielkonflikten fertig werden? Dies ist die fundamentale Auseinandersetzung zwischen dem Recht auf ein Leben im Einklang mit der Natur und anderen gut begründeten Rechten. Die Vereinten Nationen haben mit der Rio-Deklaration 1992 ein „Recht auf ein gesundes und produktives Leben im Einklang mit der Natur“ postuliert (UNCED 1992). Daraus lassen sich Bewertungskriterien ableiten - auch für das Projekt "Erweiterung Brummer".

Naturschutzkonflikte lassen sich in der Regel nicht in einem Kompromiss lösen. Es gibt oft keine Win-win-Situation, bei der alle profitieren. Deshalb ist es von elementarer Bedeutung, diese Zielkonflikte zu erkennen. Das geht nur durch verständigungsorientierte und offene Kommunikation. Im konkreten Fall müssen einzelne Ziele anderen untergeordnet werden. Ein „gerechtes“ Urteil ist nur denkbar nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente und Überlegungen. Dabei gilt, dass Respekt vor der Sicht des anderen als zwingende Voraussetzung gelingender Kommunikation anzusehen ist.

(Quellen: Uta Eser, Naturschutz, Kommunikation und Ethik: Brücken bauen zwischen Theorie und Praxis, BfN-Skripten443, 2016)

Und was bedeutet das für die Erweiterung des Lagers Brummer im Neuburger Wald?

Das Argument „Bewahrung der Schöpfung“ (= Naturschutz) in Alleinstellung ist nicht hinreichend, um das Projekt zu verbieten. Der Gemeinderat muss „gerecht abwägen“ und zwar zwischen den konkurrierenden Zielen:

Der Wald als Ökosystem

Wald als Filter und Speicher von Grundwasser,

Wald als Luftfilter, als Kohlenstoffspeicher,

Wald zur Erhaltung der Biodiversität,

Wald für Holzproduktion,

Wald als Erholungsraum;

Der Wald als Ressource für industrielle Aktivitäten

Schaffung von Arbeitsplätzen

Steuereinnahmen

Gewinnerzielung

Um bei diesem Zielkonflikt eine Entscheidung (Ja/Nein) zu treffen, müssen alle Stellungnahmen und Einwendungen dem Gemeinderat zur Kenntnis gebracht werden und er muss sie in seiner Entscheidung berücksichtigen. Abwägungsfehler (und damit Verfahrensfehler) liegen vor, wenn dem Gemeinderat für die Abwägung erhebliche Inhalte vorenthalten wurden oder dieser sie nicht in die Erwägung einbezogen hat. Dieser Entscheidungsprozess muss für jeden Gemeinderat offen und transparent ablaufen.

Hier deutet sich an, dass eine der wesentlichsten Fragen zum Projekt Brummer mit dem Standort verbunden ist: (1) Ist dies angesichts ungünstiger Topologie und Waldrandlage der richtige Standort für ein modernes Logistik-Unternehmen? Was sind die strategisch besseren Alternativen? (2) Ist der auffällig hohe Flächenbedarf bei der Planung des Projektes tatsächlich für Lagererweiterung optimiert worden? Die Belange der Gemeinde (Arbeitsplätze und Steuereinnahmen) sind bei dieser strategischen Bewertung sekundär.

Der Wald im Klimawandel

Trotz Unsicherheiten in der Vorhersage gehen Experten davon aus, dass sich die Durchschnittstemperaturen erhöhen und Extremwetterereignisse (Dürre, Sturm, Überflutungen, Hagel) zunehmen werden. Für Mitteleuropa wird verstärkte Trockenheit in der Vegetationsperiode prognostiziert.

Die erwarteten Auswirkungen auf Wälder und ihre Gesundheit sind komplex. Damit der Wald seine Funktionen als Ökosystem - Filter und Speicher von Grundwasser, Kohlenstoffspeicher, Erhaltung der Biodiversität, Holzproduktion - erbringen kann, muss die Bewirtschaftung des Waldes nachhaltig sein.

Gefahren für die Waldgesundheit: Durch die direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels können ökologische Gleichgewichte in Schieflage geraten. Ein langfristiger Effekt ist beispielsweise, dass die Anpassung von Baumarten an ihre Standorte abnimmt mit der Folge von Zunahme an Schädlingen und Krankheiten. Mehr Wärme und Trockenheit: Mehr Schädlinge und Krankheiten!

Neue Strategien gefragt: Um die Ökosysteme der Wälder zu erhalten, müssen die Bewirtschaftungsstrategien weiterentwickelt werden, um die Anpassungsfähigkeit der Wälder zu erhöhen. Eine von vielen möglichen Anpassungsmaßnahmen ist die Vergrößerung der Baumartenvielfalt und ein naturnaher Waldumbau.

(Quelle: Julius-Kühn-Institut, 2019)

Und was bedeutet das für die Erweiterung des Lagers Brummer im Neuburger Wald?

Die ökologische Bedeutung des Waldes ist unbestritten und stellt einen überragenden Wert dar. Es liegt auf der Hand, dass bei der Beurteilung von Rodungen und Ausgleichsflächen - bei deren Planung, Bewertung und Kontrolle – Maßnahmen der Anpassung des Waldes an den Klimawandel gleichzeitig mit umgesetzt und konstruktiv berücksichtigt werden sollten. Dabei geht es um die langfristige Erhaltung des Ökosystems Wald, verbunden mit industriellen Maßnahmen. Das hierzu eine präzise fachliche Prüfung und Kontrolle erforderlich ist, versteht sich von selbst. Die Kernfrage zeichnet sich ab: Kann das gerodete ökologische System in einem überschaubaren Zeitrahmen wieder hergestellt oder - mit Bezug auf den Klimawandel - sogar verbessert werden ? Ist der vorhandene Wald tatsächlich in der Lage, sich allein an den Klimawandel anzupassen?

5 ha gerodeter Wald (3.500 bis 4.000 Bäume) für den Bau des Kühlhauses Nr. 4

Was kostet der Wald?


Wälder produzieren Holz. Das Geschäft bringt Ertrag, Beschäftigung und Einkommen.


Die wahre Bedeutung des Waldes liegt jedoch im immateriellen Bereich. Er schafft lebensnotwendige Güter: Ohne Wasser, ohne Sauerstoff kein Leben.


Schutz-Güter

  • Wasserschutz: Wasser biologisch reinigen (filtern), speichern

  • Bodenschutz: Verhinderung von Erosion und Überschwemmungen

  • Klimaschutz: Filterung von Ruß, Staub, Abkühlung der Luft, Luft-Zirkulation


Verbrauch von Kohlendioxid (C02) in der Photosynthese

  • Speicherung von Kohlenstoff (C) in oberirdischer und unterirdischer Biomasse

  • Produktion von Sauerstoff (O)


Lebensraum für Tiere und Pflanzen (Ermöglichung der Biodiversität)


Erholungsraum für Menschen


Keine dieser Leistungen taucht in einer Bilanz auf. Was sind sie wert? Was muss man für sie bezahlen, wenn man diesen Wald erwirbt, um die Fläche nach Entsorgung des Holzes als Grund und Boden für industrielle Zwecke zu verwenden? Die Antwort lautet: Bis zum heutigen Tage: Nichts! Die Kosten für den Verlust der lebensnotwenigen Güter zahlt die Allgemeinheit, nicht der Erwerber.


Dabei reden wir allein für den Wert der Speicherung von CO2 von sehr großen Summen: Alle Forschungsprojekte zur Speicherung von CO2 , ob im Meer oder an Land, gehen von gigantischen Investitionen aus, die keine wirtschaftliche Kostenrechnung tragen kann.

Das muss der Staat übernehmen.


Die Firma Brummer hat den Wald für die Erweiterung um 5 ha im Jahre 2015 von den Bayerischen Staatsforsten gekauft. Der Preis wird grundsätzlich mit Hilfe von Methoden der Waldbewertung hergeleitet. Das sind vor allem die Strukturdaten des zu verkaufenden Gebiets, also Baumart, Alter, Holzvorrat, Qualität der Holzsortimente, Erntekosten und Kulturkosten. Zusammen ergibt sich daraus der Bestandeswert. Dazu kommt noch der Bodenwert, der sich aus der Bodengüte ergibt. Beides zusammen ist dann der objektiv ermittelte Verkehrswert der Waldfläche. Der tatsächlich vereinbarte Preis muss nicht genau der Modellrechnung entsprechen; z.B. können aktuelle Marktbedingungen zu Veränderungen führen.


Man kann davon ausgehen, dass die Firma Brummer im Jahr 2015 2.50 € pro qm bezahlt hat. Das sind 25.000 € pro ha; insgesamt für 5 ha also 125.000 €. Die nach dem Bayerischen Waldgesetz erforderliche Ausgleichsfläche hat die Firma Brummer aus dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb der Familie übernommen. Kostenpunkt: Faktisch Null. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass aus dem Kaufpreis von 125.000 € in der Bilanz der Brummer Thermo-Logistik GmbH ein Grundstückswert von fast 20.000.000 € wurde. Der Grund ist einfach: Aus Agrar-Grund wurde Industriegelände. Irgendjemand hat recht gut verdient dabei.


Für die nicht wirtschaftlichen Funktionen des Waldes gibt es so gut wie keine praktisch anwendbaren Konzepte der Bewertung. In der Volkswirtschaftslehre heißt das Abwälzen von Kosten auf die Gemeinschaft "Externalisierung": Die Gemeinschaft trägt nicht nur die zusätzlichen Belastungen aus dem LKW-Verkehr, sondern auch die Verluste aller Waldfunktionen. Niemand würde auf die Idee kommen, ein Logistikzentrum im Wald zu bauen, wenn er die Kosten der Externalisierung selbst bezahlen müsste.


Mit der n euen CO2-Abgabe ist auch die Klimaschutzleistung des Waldes in den Fokus gerückt. Es ist nur logisch, dass der Wald eine Vergütung für die Speicherung erhalten soll. Das würde sich sofort auf die Preise für Wald auswirken.


Jeder Hektar Wald absorbiert im Jahresdurchschnitt etwa 10 t Kohlendioxid (CO2) pro Jahr. Nach Ansicht von Fachleuten ist der Einstiegspreis für CO2 mit 25 € pro Tonne zu niedrig, um seine Lenkungsfunktion gut zu erfüllen.


Quelle: Neuburger Gesprächskreis 05.04.2022

Bau Kühlhaus 4


2015: Bildquelle Karl

175.000 cbm Erde bewegt

2019: Plan für die Erweiterung um 18 ha

<--- Ausgleichsflächen nach fünf Jahren --->